Montag, 21. Juni 2010

28. Odysee mit Dreirad

Ich habe mir ein Dreirad gekauft! Ein rotes. Ja, ich weiss, es ist Monate her, seit ich von meinen Fahrradplänen erzählt habe. Manche Dinge brauchen einfach Ihre Zeit.

Gestern haben mein Mann und ich unsere erste Radtour gemacht. Es war klasse! Den Blicken nach zu urteilen, scheint eine erwachsene, junge Frau auf einem Dreirad eine ungewöhnliche Erscheinung zu sein. Nunja, die Leute werden sich an meinen Anblick mit Dreirad schon noch gewöhnen.Viele haben freundlich geschaut. Die missmutigsten Blicke habe ich von Leuten gekriegt, bei denen ich mir dachte, dass sie ein Dreirad auch gut gebrauchen könnten. Vielleicht war es ja nur der Neid... Es hat jedenfalls richtig Spass gemacht selbständig und schneller als zu Fuss unterwegs zu sein. Und mein Aktionsradius hat sich beträchtlich erweitert. Und heute habe ich Muskelkater. Eigentlich sind wir gar nicht so weit gefahren, vielleicht 6 Kilometer, nur runter zum See und durch den Wald zurűck. Aber danach war ich erst mal geschafft. Schön, dass jetzt Sommer ist. Ich werde die nächsten Monate bestimmt genügend Gelegenheit zum Konditionstraining und zum Testen meiner neugewonnenen Freiheit haben.

Warum es mit der Anschaffung so lange gedauert hat? Die kurze Erklärung ist: Ich wollte kein blaues Fahrrad haben. Aber vielleicht etwas ausführlicher:

Bis vor ein paar Jahren war es in Schweden möglich, ein Dreirad auf Rezept zu bekommen. Als Hilfsmittel brauchte man es also nicht selber zu bezahlen, was einige Vorteile hat, denn die Dinger sind relativ teuer. Aber auch einige Nachteile. Der grösste Nachteil ist der geschützte Markt für die Hersteller. Damit haben die Herstellerfirmen immer noch zu kämpfen und sie haben es noch nicht geschafft, ihr Hilfsmitteldenken zu überwinden und im freien Markt anzukommen.

Inzwischen gibt es einen einzigen Fahrradhändler im Grossraum Stockholm, also für mehr als eine Million Menschen, der auch Dreiräder vorrätig hat. Ein klein wenig habe ich zu dieser erfreulichen Entwicklung beigetragen, denn bis vor kurzem gab es überhaupt keinen. Als ich mich letztes Jahr auf die Suche nach einem Händler machte, bei dem ich unterschiedliche Modelle ausprobiert konnte, war ich sehr erstaunt als ich feststellen musste, dass es keinen einzigen Fahrradhändler gab, der auch nur ein Dreirad im Sortiment hatte. Alle scheinen selbstverständlich zu erwarten, dass man sich ja bequem eines aus dem Katalog aussuchen kann, ohne es ausprobiert zu haben. Ein Anruf beim Hersteller hat diese traurige Tatsache bestätigt. Zum Ausgleich haben mein Mann und ich das freundliche Angebot bekommen, dass wir beim 300 km entfernten Werk herzlich willkommen sind und dort gerne die unterschiedlichen Modelle, die sie haben, ausprobieren können. Da ich die Katze nicht im Sack kaufen wollte und es keine andere Möglichkeit gab, haben wir eben zusammen mit einer Freundin, die gerade zu Besuch war, einen wunderschönen Ausflug unternommen, bei dem wir unter anderem auch bei dem Dreiradhersteller vorbeigefahren sind.

Auch auf die Gefahr hin undankbar zu klingen: Die Modelle aus der Hilfsmittelzeit, die immer noch zur Auswahl standen, waren echt nicht überzeugend. Es wäre übertrieben, diese Modelle als teuren Schrott zu bezeichnen, aber inzwischen verstehe ich, was ein guter Freund meinte, als er mir eingeschärft hat, mir bloss kein Dreirad anzuschaffen, das auf irgendeiner Hilfsmittelliste steht, weil die allermeisten davon einfach nix taugen würden. Das neue Post-Hilfsmittel-Modell hat grössere Räder (das heisst, das Fahrrad rollt länger und ich muss nicht so viel treten), Differentialachse (beide Hinterräder werden unabhängig voneinander angetrieben) und Gangschaltung und ist eine Neuentwicklung der Firma, nachdem sie mit ihren Produkten plötzlich dem freien Markt ausgesetzt war.

Mein Dreirad gibt es in zwei Farben: Ein hübsches weinrot und in blau. Rot war aber monatelang nicht lieferbar (warum auch immer), mit schwarz oder grau hätte ich mich auch abfreunden können (gab es aber nicht), und die einzige Farbe, die zur Auswahl stand, wollte ich nicht. Wenn ich schon Geld in ein Dreirad investiere, dann will ich nicht zu irgendwelchen faulen Kompromissen gezwungen werden.

Als ich dann nach einigen Monaten wieder da stand und ein rotes Dreirad haben wollte, war alles immer noch etwas schwierig: nicht vorhersehbar, ob und wann es lieferbar sein würde, wochenlang zu nem anderen Händler in ner anderen Stadt und wieder zurück zum Werk unterwegs etc.- zwischendurch war auch der freundliche Fahrradhändler etwas am Verzweifeln, aber zum Schluss habe ich mein rotes Dreirad dann doch bekommen. Und ich bin optimistisch, dass sich der direkte Kundenkontakt und die Zusammenarbeit mit Partnern aus dem freien Markt mit der Zeit positiv auf die Herstellerfirma auswirken.