Dienstag, 2. September 2008

15. Anwältin mit Dreirad

Ich hatte kürzlich Besuch von zwei Freunden aus Deutschland. Einer hatte sein Handbike dabei, das ich bei der Gelegenheit auch mal ausprobieren durfte. Es hat richtig Spass gemacht und gab mir ein Gefühl von Freiheit! Da war für mich klar, dass ich auch ein Gerät brauche, womit ich meinen Radius erweitern und meine Fortbewegungsgeschwindigkeit etwas erhöhen kann. Statt Handbike denke ich aber eher an ein Fahrrad (auf Schweizerdeutsch: Velo). Mit diesem Gedanken spiele ich eigentlich schon seit Jahren. Aber zu einem Entschluss konnte ich mich bisher nicht durchringen. Es ist auch nicht so einfach. Denn ein Gefährt mit nur zwei Rädern hat so seine Tücken: Zum einen weiss ich nicht, ob ich wirklich die Balance halten kann. Und zum anderen fällt mir die Tretbewegung mit den Pedalen schwer. Ich rutsch immer mit dem Fuss ab - mal links, mal rechts. Das liesse sich zwar lösen, indem ich meine Füsse aufs Pedal schnalle, ähnlich wie es Radrennfahrer tun, aber dann krieg ich meinen Fuss nicht mehr raus, wenn ich die Balance verliere oder anhalten will. Und das Anfahren wird auch zum Problem. Eine andere Variante wäre ein Zweirad mit Stützrädern. Oder gleich ein Dreirad. Dann könnte ich die Tretbewegung üben und wenn es ohne Füssefestschnallen geht, kann ich mir immer noch überlegen, ob ich auf ein Zweirad umsteigen und das Balancieren üben möchte.

Ich glaube, ich weiss seit gestern, worum ich mir bisher kein Dreirad oder ein Zweirad mit Stützrädern angeschafft habe: Es sieht einfach behindert aus. Als politisch bewusste und aufgeklärte Krüppelfrau fällt es mir nicht leicht, das zuzugeben, aber es ist wohl so. Mit nem Dreirad gibt es kein Leugnen mehr, kein So-tun-als-ob-man-gar-nicht (oder nur ein bisschen) behindert wäre. Kinder und „Schwer-“behinderte sind mit nem Dreirad oder mit Stützrädern unterwegs. Da wird es von der Umgebung auch problemlos akzeptiert. Aber ich? Als ausgebildete Juristin? Der Gedanke, ich würde im Anzug mit nem Dreirad zu ner Gerichtsverhandlung fahren, während die Kolleginnen und Kollegen und womöglich die eigene Mandantin aus nem Luxusauto aussteigen, löst bei mir schon einiges an Unbehagen aus. Und gleichzeitig: Wenn ich mir eine andere Person und nicht mich selber auf dem Sattel vorstellen würde, fände ich es total klasse. Es ist ein wenig schräg und hat was. Es demonstriert eine Menge Individualität und Selbstbewusstsein.

Ach ja, eigentlich ist das hier ja ein uraltes Problem, das mich schon mein ganzes Leben lang verfolgt, immer wieder in neuen Variationen. Ich bin nicht eingeschränkt genug, und eine Sonderlösung ist nicht automatisch die einzig mögliche Lösung. Stattdessen sieht es oft so aus als ob das scheinbar Normale und vor allem Unauffälligere in greifbarer Nähe wäre. Wenn ich mich nur ein bisschen mehr anstrenge, ein bisschen mehr übe, dann wird es schon gehen. Ich habe es so satt und dachte wirklich, ich hätte diese Phase inzwischen hinter mir! Aber anscheinend muss ich mich immer noch hin und wieder selber quälen und überfordern, anstatt einfach von Anfang an zu schauen, was für mich am Besten ist. Zwei Räder sind weniger als drei, warum sollte das besser sein?

Nachdem ich endlich den Knoten gelöst und das eigentliche Problem erkannt habe, kann ich mich tatsächlich auf die Suche nach nem geeigneten Fortbewegungsmittel machen. Schon aus purem Trotz werde ich mir ein Dreirad oder ein Zweirad mit Stützrädern zulegen und damit durch die Gegend fahren! Über Tipps und Empfehlungen diesbezüglich wäre ich übrigens sehr dankbar!

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