Sonntag, 27. Dezember 2009

25. Weisse Weihnachten

Schnee- Passend zu Weihnachten hat es in den letzten Tagen hier in Stockholm und auch sonst in Schweden viel geschneit. Es ist alles weiss. Zu Schnee verbindet mich eine Art Hass-Liebe. Eigentlich habe ich Schnee sehr gerne. Besonders wenn ich mit einer Tasse heissem Tee drinnen im Warmen sitze. Es hat etwas märchenhaften, wenn alles weiss gepudert ist. Aber leider verträgt sich Schnee nicht besonders gut mit meiner Gehbehinderung. Und wenn er sich dann zu braunem Matsch verwandelt, durch den ich waten muss, dann bin ich weniger am Schwärmen und mehr am Grummeln...

Ich hab übrigens irgendwann im letzten Jahr eine interessante Entdeckung gemacht: Wie oft ich ausrutsche, hängt sehr davon ab, mit welcher Einstellung ich durch den Schnee stapfe. Wenn ich Angst habe und mich ganz darauf konzentriere, bloss nicht hinzufallen, dann verkrampfe ich mich und ich liege vor lauter Unsicherheit schon halb auf der Nase. Wenn ich dagegen entspannt bin und selbstbewusst und konzentriert gehe, dann falle ich sehr viel seltener. Es ist schwierig, den Unterschied zu erklären. Meine Schwester hat mal vor vielen Jahren versucht, mir diesen Unterschied zu erklären, aber damals habe ich nicht verstanden, was sie meint. Es ist ähnlich wie beim Schwimmen: Sobald es mir gelingt, das Gefühl zu finden, dass mich das Wasser trägt, funktioniert es gut. Dieses Gefühl, dass mich der Schnee hält und trägt, ist allerdings etwas schwieriger zu finden. Erst Recht, wenn ich ein paar Mal hingefallen bin. Erlebte Stürze erhöhen leider die Wahrscheinlichkeit, noch mehr zu fallen erheblich. Ich bin gerade wieder eifrig dabei, den Unterschied der beiden Geh-Varianten zu testen. Bisher bin ich noch nicht ausgerutscht. So wie es aussieht, habe ich dieses Jahr wohl noch reichlich Gelegenheit, meine Standsicherheit zu trainieren.

Freitag, 20. November 2009

24. Tanzende Bäume und Freizeitstress

Wie die Zeit vergeht... Hier in Stockholm verlieren die Bäume ihre letzten goldenen Blätter. Jetzt kann man ihre Äste deutlich sehen. Es ist wunderschön! Ich laufe oder fahre zur Zeit durch die Gegend und freue mich wie ein kleines Kind über die hübschen kahlen Bäumen. Alle sind so verschieden. Manche haben gerade und sehr symmetrische Äste, andere sind wild und geschwungen, manche sind zart und zierlich, andere knorrig... Je länger ich sie anschaue, desto grösser wird meine Faszination. Eines haben sie alle gemeinsam: Alle sind sehr individuell. Sie sind einfach schön, jeder auf seine ganz eigene Art. Vieles von dieser Schönheit ist im Sommer verborgen, wenn alles mit Blättern bedeckt ist. Und weisst Du, was für mich das absolute Tollste ist: Irgendwie sehen alle Bäume aus als ob sie mit ihren vielen Armen tanzen, oder mit offenen Armen die ganze Welt umarmen....

Was passiert ist? Eigentlich ist alles beim Alten. Ich hatte einfach dieses kindliche Bedürfnis, meine Gedanken in Worte zu fassen.

Naja, es hat sich in den letzten Monaten natürlich schon einiges getan. Ich hab inzwischen eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für Schweden. Das ist zwar eigentlich nur eine Formalität, hat aber trotzdem etwas sehr Beruhigendes. Und dann habe ich mich dazu entschlossen, wieder ein wenig zu studieren. Ich arbeite ja „nur“ halbtags und dachte mir, dass mir das genügend Zeit für andere Dinge lässt. Es ist wieder ein rechtlicher Kurs, genau genommen sind es zwei, eine Fortsetzung meines Übersichtskurses im schwedischen Recht und ein Kurs im Sozialrecht. Und wieder mal ist es mehr Arbeit, als ich erwartet habe. Ich glaub, so etwas fällt auch unter den Begriff „hausgemachter Freizeitsstress“, oder? Im Januar sind die Prüfungen und dann ist der Stress hoffentlich erst einmal vorbei. Jedenfalls so lange, bis mir wieder was Neues einfällt.


P.S. Es wird nicht bis Januar dauern, bis ich mich wieder melde. Grosses Ehrenwort!

Donnerstag, 28. Mai 2009

23. Spastik und Stöckelschuhe

Es gibt Momente in meinem Leben, da bin ich richtig froh, dass ich eine Behinderung habe. Gestern war mal wieder so ein Augenblick. Auf dem Weg nach Hause fiel mir ein Reklamezettel der ”High Heels-School” eines Modehauses auf, auf dem für einen Kurs gewoben wurde, bei dem (vermutlich) junge Mädels lernen können, auf Stöckelschuhen zu gehen. Es wurde angespriesen, wie wenn es eine Fähigkeit wäre, die frau einfach können muss. Manchmal bin ich nur am Staunen, aber vielleicht ist es gar nicht notwendig, immer alles zu verstehen. Zumindest komme ich – meiner Spastik sei Dank- noch nicht einmal in Versuchung, meine Zeit mit einem solchen Unfug zu verschwenden.

Dienstag, 7. April 2009

22. Andere Länder, andere Sitten

Heute war ein richtig schöner Frühlingstag, mit Sonnenschein und vielleicht 10-15°C und ich habe es zum 1. Mal in diesem Jahr gewagt, das Haus ohne lange Unterhose zu verlassen. Für einige Schweden war es dagegen bereits T-Shirt-Wetter. Mit kurzer Hose habe ich nur einen gesehen, aber das lässt bestimmt auch nicht mehr so lange auf sich warten. Diese unterschiedliche Temperaturwahrnehmung verblüfft mich immer wieder, auch nach mehr als 2 ½ Jahren in Schweden.

Ich kann es kaum glauben, aber es sind tatsächlich schon 2 ½ Jahre vergangen, seit ich nach Stockholm gezogen bin. Es gibt sicher auch einige schwedische Eigenarten, die ich inzwischen übernommen habe. Eigentlich bin ich sehr vorsichtig mit Verallgemeinerungen, aber irgendwann musste ich zu meinem Erstaunen feststellen, dass es tatsächlich Dinge gibt, die landestypisch sind. Bei Wind und Wetter die Fenster aufzureissen und zu lüften scheint typisch deutsch zu sein. Das war mir lange nicht bewusst. Für mich war es einfach selbstverständlich, dass man ab und zu etwas frische Luft braucht, zumindest 1x täglich. Für diejenigen, die mich nicht kennen: Ich bin Deutsche.

Schweden sind im Allgemeinen sehr vorsichtig und diplomatisch. Das harmoniert nicht immer mit dem deutschen Verhandlungsstil, der im Vergleich dazu eher wie „mit der Faust aufs Auge“ wirkt. Was auf Deutsch eine einfache Frage oder Bitte ist, kommt alleine wegen der Direktheit im Schwedischen oft als etwas ruppiger Befehlston an. Entsprechend fällt die Reaktion aus. Die schwedische Strategie ist es, dem bzw. der anderen die Gelegenheit zu geben, selber auf die Lösung zu kommen. Noch besser ist es, wenn es gelingt, zuerst ein Wir-Gefühl zu schaffen um dann gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten. Sofort einen Vorschlag zu präsentieren, gilt als unhöflich. Man fragt also nicht plump und direkt: „Hättest Du morgen Nachmittag Zeit zum Kaffeetrinken?“, sondern tastet sich behutsam vor. Das kann manchmal ziemlich anstrengend sein. Gleichzeitig finde ich es schön, dass Schweden achtsam miteinander umgehen. Und ich lerne. Dass ich Fortschritte in meinem Grundkurs der Diplomatie mache, merke ich vor allem bei meinen Aufenthalten in Deutschland. Bei Verhandlungen am Fahrkartenschalter der Deutschen Bahn zum Beispiel führt allzu grosse Zurückhaltung nicht unbedingt zum Erfolg. Die rhetorische Frage: „Ist es jetzt für ne Reservierung zu spät?“ wird in Deutschland schlicht und spontan mit „Ja“ beantwortet (denn das macht am wenigsten Arbeit) auch wenn eine Reservierung problemlos möglich wäre. In Schweden hingegen erhält man mit grösster Wahrscheinlichkeit ein „Nein, nein, das kriegen wir schon noch hin“ zur Antwort.

Eine Konsequenz der schwedischen Zurückhaltung ist wohl auch, dass ich hier wegen meiner Gehbehinderung nicht ständig angestarrt werde, sobald ich irgendwo zu Fuss unterwegs bin. Dieses destruktive Starren (wie es ein Bekannter von mir mal so schön formuliert hat) scheint mir in der Schweiz auch weniger stark ausgeprägt zu sein als in Deutschland (ich habe vor meinem Umzug nach Schweden zwei Jahre lang in Zürich gelebt, konnte also auch dort ein paar Erfahrungen sammeln). In der Schweiz hatte ich hingegen oft das Gefühl, als würden die Leute demonstrativ nicht hinschauen. Es ist schwierig, die Unterschiede zu erklären und ich behaupte auch nicht, dass es alle anderen genauso wahrnehmen. Ich finde es manchmal einfach spannend, wie unterschiedlich Menschen in verschiedenen Ländern auf den Anblick von Leuten mit ner Behinderung - also beispielsweise auf mich - reagieren.

Montag, 30. März 2009

21. Veilchen

Auf meinem Balkon steht ein kleines Veilchen und trotzt der Kälte. Noch ist es ziemlich einsam dort, denn es ist ein bisschen vor seiner Zeit. Aber bald kommen die anderen Pflanzen nach. Ich hab das Veilchen extra gut eingepackt und trotzdem hab ich ein paar Mal gedacht, dass die Kälte zu viel für es war und es erfroren ist. Aber sobald ein paar Sonnenstrahlen darauf fallen, dann fasst es neuen Mut und rappelt sich wieder auf. Inzwischen schaut es sogar vorwitzig über die schützende Verpackung.

Einmal hab ich versucht, es in die Wohnung zu nehmen, wo es viel geschützter wäre. Doch so viel Fürsorge hatte es überhaupt nicht gern. Nach nur einer Nacht sah es ziemlich unglücklich aus und ich hab es am nächsten Morgen ganz schnell wieder auf den Balkon gestellt. Es braucht wohl zumindest die bescheidene Freiheit, die der Balkon zu bieten hat.

Ich hab das kleine Veilchen inzwischen richtig lieb gewonnen. Es erinnert mich an einige meiner Freundinnen und Freunde, und ein klein wenig auch an mich selbst.

Dienstag, 3. Februar 2009

20. Nachtrag Fitnessstudio

Letzten Donnerstag war ich tatsächlich zum 2. Mal im Fitnessstudio (Das Wort wird wirklich mit 3 s geschrieben, ich habs nachgeschlagen). Es hat mich einiges an Überwindung gekostet, nochmal hinzugehen, denn die geballte männlichen Herrlichkeit, auf die ich das Mal davor gestossen bin, hat mich schon ein wenig entmutigt. Es hat sich gelohnt, dass ich nicht so schnell aufgegeben habe! Dieses Mal waren viele ältere Menschen dort, auch ein paar jüngere und sogar vereinzelt sehr nette, gut durchtrainierte Männer. Die sind wohl am Samstag in der breiten Masse der weniger sympatisch wirkenden Herren untergegangen. Jedenfalls war die Atmosphäre sehr viel entspannter und ich habe keinen Klumpen mehr im Magen, wenn ich nur daran denke, wieder ins Fitnessstudio zu gehen. Ich kann mir inzwischen sogar vorstellen, an einem Wochenende, wenn ich besonders gut gelaunt bin und eigentlich auf dem Weg in die Sauna bin, einen kurzen Abstecher zur Trainingshalle zu machen und dort vorsichtig meine Nase durch einen Türspalt zu stecken.

Wenn ich es jetzt noch schaffe, zumindest einmal wöchentlich ein bisschen zu trainieren, dann wäre ich wirklich zufrieden. Es tut gut, hin und wieder etwas mit dem Körper zu machen. Mein Körper, so wie er ist, mit all seinen Besonderheiten, ist nun mal das Vehikel, dass mich durch dieses Leben hier bringt. Da hilft es nicht, wenn ich versuche, ihn so weit wie möglich zu ignorieren. Werde mir jedenfalls redlichst Mühe geben, dass sich die Jahreskarte, die ich mir gekauft hab, auch bezahlt macht.

Dienstag, 27. Januar 2009

19. Phasen, Hormone und der richtige Zeitpunkt

Mein Leben verläuft oft in Phasen. Dann beschäftige ich mich sehr intensiv mit einem Thema, das davor oder danach vielleicht weniger wichtig ist. Zur Zeit versuche ich gerade, eine gute Balance zwischen Berufs- und Privatleben zu finden.

Und so kam es, dass ich mir dachte, ich könnte am Samstag doch mal bei dem Fitnessstudio bei mir um die Ecke vorbeischauen und ein paar „Stresshormone verbrennen“. Ich hab mir in meinem Enthusiasmus auch gleich ne Jahreskarte gekauft. Nein, so schlimm ist es in der Arbeit nicht. Das ist rein vorsorglich. Ich würde nämlich gerne weiterhin glücklich mit meinem Leben sein und auch ein bisschen in den Tag hinein leben und nicht völlig von Alltag und Routine bestimmt werden. Ausserdem werden Trainingsgeräte ja manchmal auch in der Krankengymnastik eingesetzt.

Nunja, was soll ich sagen? Wunsch und Wirklichkeit stimmen nicht immer völlig überein. Dass ein Fitnessstudio nicht unbedingt der Treffpunkt für Leute mit Behinderung ist, war mir schon klar. Ich hab auch versucht, mich seelisch und moralisch darauf einzustellen. Trotzdem kam ich mir selten so fehl am Platz vor. Die Atmosphäre war vor allem „männlich“ und testosterongeladen. Dafür gab es im Umkleidebereich ne Sauna, Männer und Frauen getrennt, und die war richtig angenehm! Wärme anspannt meine Spastik. Ich muss nur aufpassen, dass ich nicht zu lange drin bleibe, sonst haut es mir den Kreislauf zusammen. Ich dachte eigentlich, ich wäre vorsichtig gewesen, aber irgendwie scheint mir die Kombination Training und anschliessende Sauna absolut nicht gut zu tun. Danach war ich jedenfalls völlig am Ende und hab den gesamten Sonntag gebraucht, um mich wieder halbwegs zu erholen. Es gibt also noch viel, was sich optimieren lässt.

Am Donnerstag werde ich wieder hingehen, dieses Mal am Morgen. Mal sehen, wie es dann ist. Ich hoffe sehr, dass ich beim Rentnertreff landen werde. Zumindest hab ich mal gelesen, dass am Vormittag oft ältere Menschen zum Trainieren gehen. Das ist zwar nicht ganz die richtige Altersgruppe, dafür könnte die Atmosphäre etwas entspannter sein. Falls das wieder nix ist, bleibt mir immer noch die Sauna. Dann tu ich mir was Gutes und die Jahreskarte war nicht völlig umsonst.

Dienstag, 20. Januar 2009

18. - Achtzehn -

18 ist meine Lieblingszahl.

Deswegen ist es mir selber ein Rätsel, weshalb es so lange mit meinem 18. Blogbeitrag gedauert hat. Naja, so ganz stimmt es wohl nicht. Eine leise Ahnung, warum es so lange gedauert hat, habe ich schon. Ein grosser Teil der „Schuld“ kann ich auf meine Arbeit schieben. Mit ihr hat sich mein Tagesablauf sehr verändert. Es ist zwar „nur“ eine Halbtagsbeschäftigung, aber das langt mir eigentlich. Ausserdem kommen zu den vier Stunden Arbeit noch zwei Stunden Reisezeit dazu, weil mein Arbeitsplatz am anderen Ende der Stadt liegt. Zusammen nimmt es viel Zeit in Anspruch und ich versuche gerade, neue Routinen finden, um auch Zeit für mich selbst zu haben. Ich hab gelernt, wie wichtig das ist. Als ich als Anwältin gearbeitet hab, war ich irgendwann an einem Punkt, an dem mein gesamtes Leben nur noch aus Arbeit bestand, und da will ich nicht mehr hin.

Was ich jetzt mache? Ich bin im Institut für Selbstbestimmtes Leben (Independent Living Institute) für die Buchhaltung zuständig. Es macht wirklich Spass. Es ist eine Herausforderung, auf Schwedisch zu arbeiten und ich lerne jeden Tag etwas Neues. Abwechslung ist für mich wichtig. Zu viel Eintönigkeit langweilt mich schnell und dann verliere ich das Interesse. Nun jaaa, Buchhaltung ist vielleicht nicht unbedingt die spannendste und abwechslungsreichste Beschäftigung, die man sich vorstellen kann. Aber wenn man es nicht so richtig gut kann, dann wird auch das zum Abenteuer. Jedenfalls mach ich es im Moment sehr gern.

Was es mit der Zahl 18 auf sich hat? Ich weiss es ehrlich gesagt nicht. Ich mag sie einfach. Mein Geburtstag ist es nicht, der ist an einem 17. und glaub nicht dass es damit etwas zu tun hat. Aber welche weiss, vielleicht findet ja einer einen Zusammenhang, der mir bisher entgangen ist. 17 ist auch eine schöne Zahl, sogar eine Primzahl, also nur durch 1 und durch sich selber teilbar, genau wie 19. Und die unscheinbare 18 liegt genau dazwischen.