Freitag, 7. März 2008

4. Erzähl doch mal...

Wie sind die Schweden denn so?“ Diese Frage höre ich immer wieder von Freunden und Bekannten. Vielleicht ist es an der Zeit, dass ich mir darüber mal Gedanken mache.

Die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Die Schweden - ich glaub, die gibt es genauso wenig wie die Schweizer oder die Deutschen. Jedes Volk ist wohl in erster Linie eine Ansammlung der unterschiedlichsten Individuen. Und trotzdem, ein paar Gemeinsamheiten sind meistens doch vorhanden.

Eigentlich kann ich nur etwas über die Menschen hier in Stockholm sagen, denn ich habe bisher noch nicht sehr viel mehr von Schweden gesehen.


Ein paar rein subjektive Beobachtungen:

Die meisten Leute in Stockholm sind freundlich, wohlerzogen und hilfsbereit, wenn man etwas fragt oder in einem Geschäft einkauft. Gleichzeitig sind sie distanziert und sehr auf ihre Privatsphäre bedacht. Diese – also die Privatsphäre – wird in Stockholm wohl besonders stark verteidigt, vor allem, wenn sich die Menschen in der anonymen Masse bewegen. Immer mal wieder wird Stockholmern von anderen Schweden vorgeworfen, das Zartgefühl eines Wasserbüffels zu haben. Ob das den Wasserbüffeln gerecht wird, kann ich nicht beurteilen. Aber ich bin noch nie in meinem Leben so oft angerempelt worden, wie in meiner ersten Zeit in Stockholm. Für gewöhnlich nehmen andere Leute auf meine Gehbehinderung und mein nicht allzu ausgeprägtes Gleichgewichtsgefühl Rücksicht. Zum Glück haben die Rempeleien inzwischen nachgelassen, nachdem ich nicht mehr so oft orientierungslos in der Gegend rumstehe.

Zum Ausgleich werde ich hier nicht wie ein kleines Kind behandelt, sondern als Frau wahrgenommen. Und die Leute fragen, ob sie helfen können, bevor sie zulangen und akzeptieren ein freundliches „Nein danke, es geht schon.“

Ähnlich wie die Schweizer fühlen sich die Schweden ihrem Land sehr verbunden. Es ist IHR Land, für das sie sich verantwortlich fühlen.

Sehr angenehm ist auch, dass alle per Du sind und man sich keine grossen Gedanken um die richtige Anrede machen muss. Die Tatsache, dass alle Menschen gleichviel wert sind, ist hier nicht nur Theorie, sondern wird auch gelebt und ist im Alltag deutlich zu spüren. Die Kehrseite davon ist allerdings ein ausgeprägter Sozialneid. Immer nach dem Motto: „Glaub bloss nicht, dass Du etwas Besseres bist, nur weil Du ne Million mehr verdienst oder grad ne Goldmedaille gewonnen hast.“


Wie in jedem Land gibt es ein paar ungeschriebene Verhaltensregeln:

In der U-Bahn setzt man sich zum Beispiel nicht neben eine unbekannte Person, wenn man sich auch etwas weiter weg setzen könnte. Und als geradezu aufdringlich gilt es, wenn man sich aller Konventionen zum Trotz ungezwungen neben eine fremde Person setzt und dabei auch noch „Guten Morgen“ sagt. Ein solches Verhalten zieht jede Menge misstrauischer Blicke an.

Man fordert eine andere Person auch nicht direkt auf, die Tasche von dem Sitz zu nehmen, auf den man sich gerne setzen würde. Stattdessen setzt man sich erstmal ganz an den Rand des auserwählten Platzes, mit ner halben Arschbacke sozusagen, und schaut die Tasche vorwurfsvoll an (Wohlgemerkt: Die Tasche! Nicht die Person, der die Tasche gehört!). Wenn das keinen Erfolg hat, dann rutscht man demonstrativ etwas näher an die Tasche heran und schaut diese noch vorwurfsvoller an. Das klappt dann meistens und der Sitz wird freigemacht. Wenn es nicht funktioniert, bleibt man eben mit ner Leidensmiene in der unbequemen Position sitzen und wirft der Tasche gelegentlich einen genervten Blick zu.


Alles in allem hab ich das Land und die Menschen hier sehr gern und sehe die kleinen Eigenheiten meistens als eine Art Kabaretteinlage.

Ich kann Dir/Euch/Ihnen nur von ganzem Herzen empfehlen, hierher zu kommen und selber eigene Beobachtungen anzustellen!

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