Diese Woche war anstrengend . Deswegen kommt erst jetzt eine relativ kurze Beschreibung der ersten beiden Herrschafttechniken – Unsichtbarmachen und Lächerlichmachen.
1. Unsichtbarmachen
Stellen wir uns eine Gruppe vor, die etwas bespricht. Jedes Mal, wenn eine bestimmte Person, nennen wir sie Ronja, was sagt, muss einer aufs Klo oder Kaffee kochen oder SMS schreiben, andere nutzen die Gelegenheit zum Diskutieren... Alles scheint viel interessanter und bedeutungsvoller zu sein als das, was Ronja zu sagen hat. Oder: Alle hören schweigend zu bis Ronja fertig ist, und anschliessend geht keiner auf das ein, was sie gesagt hat. Stattdessen geht die Diskussion weiter, wie wenn sie nichts gesagt hätte. Das sind klassische Beispiele fürs Unsichtbarmachen. Es wird so getan, als wäre Ronja gar nicht da.
Ich hab den Verdacht, dass es auch noch eine behindertenspezifische Variante davon gibt: Ich war schon in den verschiedensten Gruppen dabei, und wenn ich die einizige Teilnehmerin mit Behinderung war, hat sich oft eine sehr eigentümliche Gruppendynamik entwickelt: Alle waren furchtbar nett und freundlich zu mir und es hat trotzdem keinen wirklich interessiert, ob und wenn ich was gesagt hab. Ich durfte mit dabei sein, aber mehr nicht. Ich hatte die Rolle einer passiven Beobachterin, von der erwartet wurde, dass sie inhaltlich nichts beizutragen hat. Und wenn ich diese Erwartungen nicht erfüllt hab, wurde mein Beitrag ignoriert, boykottiert oder sabotiert. Ich glaub übrigens nicht, dass das nur an mir lag oder ich in dieser Hinsicht eine Ausnahme bin. Denn das Verhalten der anderen änderte sich jedes Mal ziemlich schnell, wenn ich bei der ersten halbwegs passenden Gelegeneit beiläufig erwähnte, dass ich mal als Rechtsanwältin gearbeitet hab. Dann, und leider erst dann, wurden meine Äusserungen ernst genommen.
Eine andere Variante des Unsichtbarmachens ist für mich, wenn sich andere in meiner Gegenwart über mich unterhalten und so tun als ob ich gar nicht da wäre. Das ist kein klassisches Beispiel mehr fürs Unsichtbarmachen, sondern wird meistens einer neue Kategorie zugeordnet. Ich persönlich finde jedoch, dass auch ein solches Verhalten die betroffene Person auf eine sehr ähnliche Weise unsichtbar machen kann und erwähne es deshalb trotzdem hier. Denn in diesem Fall bin ich als eigenständige Persönlichkeit verschwunden und nur noch ein Objekt, ein Gegenstand, der rumsteht und über den geredet wird, dessen Anwesenheit aber nicht unbedingt notwendig ist. Sehr beliebt ist ein solches Verhalten in Krankenhäusern. Und in Cafes und Restaurants. Da wird einfach jemand anderes gefragt, was ich denn gerne zu essen oder trinken hätte, wie wenn ich grad nicht da wäre. Noch schlimmer find ich es, wenn sich meine Begleitung, die es eigentlich besser wissen sollte, darauf einlässt und mitspielt. Ok, wenn jemand eine Sprechbehinderung hat und schwer zu verstehen ist, kann es manchmal einfacher sein, wenn jemand ohne Sprechbehinderung bestellt. Aber selbstverständlich nur in gegenseitigem Einverständnis! Ansonsten muss sich das Personal halt die Mühe machen und genau hinhören und gegebenenfalls ein paar Mal nachfragen. Was ist denn eigentlich so schlimm daran? Warum entsteht so schnell eine Situation, wo alles nur noch superpeinlich zu sein scheint?
All das und vieles mehr hat in letzter Konsequenz mit Machtausübung zu tun und die Folge davon ist, dass die Person, die so einem Verhalten ausgesetzt wird, verunsichert wird, sich hilflos oder gar bedeutungslos vorkommt.
2. Lächerlichmachen
Hat man ne Behinderung, dann kommt es recht häufig vor, dass man mit seinen Wünschen und Träumen nicht ernst genommen wird. Man sollte selbst einsehen, dass etwas von vorneherein unmöglich ist. Man kann sogar wenn man andere Personen unterdrückt, dabei noch richtig nett wirken, nur weil man es in einem lockeren, spassigen Ton sagt. Es ist auch sehr bequem, die Meinung anderer ins Lächerliche zu ziehen. Wenn sich alle einig sind, wie albern etwas ist, dann kann man sich nämlich eine inhaltliche Diskussion ersparen und braucht nicht zu begründen, was genau an dem Vorschlag lächerlich sein soll.
Spassverderber zu sein, ist nicht immer lustig, manchmal aber durchaus angebracht. Auch hier ist es gut, wenn man ruhig und deutlich Grenzen setzen kann und der anderen Person klar macht, dass sie zu weit gegangen ist. Ein Rat der Doktoratinnen ist: Nicht mit den anderen mitlachen, sondern den Scherz in Frage stellen. Zum Beispiel, indem man nachfragt: Was meinst Du damit genau? Was willst Du damit sagen? Oder: Wenn ich Dich richtig verstanden habe, dann ...
Es gäbe noch viel mehr dazu sagen, aber es ist leider nicht möglich, das Thema hier abschliessend zu behandeln. Dazu eignet sich die Form eines Blogs nicht.
Dafür gibt es demnächst mehr zu den anderen drei Unterdrückungsmechanismen.
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